Er fühlt sich wohl alleine im Wald und obwohl er am liebsten die ganze Zeit alleine wäre und den Menschen aus dem Weg ginge, stolpert er doch immer wieder über Menschen. Mehr als ihm lieb ist, was bei ihm einen Drang zur Flucht in seinen geliebten Wald auslöst. Vor allem wenn er die Staatsmacht erahnt, von der er befürchtet, dass sie ihn in die Stadt zurückbringen könnten.
Trotzdem hat er auch immer wieder freiwillig mit anderen Menschen zu tun, sei es weil sie seine ab und zu auftauchenden Gelüste nach gekochten Eiern und warmem Brot stillen können oder weil auch er ab und zu nichts gegen etwas (körperliche) Nähe hat. Auch einer wie Sune braucht ab und zu etwas Wärme, besonders wenn die Welt nass, kalt und neblig ist. Der Sommer ist vorbei in Sunes Welt, das trifft auf die Jahreszeit, aber wahrscheinlich auch auf Sunes Alter zu.
Der Mensch als Nebensache
Doch zu viel Wärme und Nähe will er nicht. Sune aus dem Wald, wie ihn seine Bekannten nennen, hat die Nase voll von der Gesellschaft. Und von seiner Familie. Und von seinem Beruf. Und von der Stadt. Deswegen geht er jetzt auf seine letzte Walz. Nicht weil er damit oder mit dem Leben aufhören will, sondern weil er nicht mehr zurück in die Stadt will. Was ihn interessiert und seine Aufmerksamkeit erweckt ist die Natur und auch die der nordischen Mythologie entlehnten Wesen, an deren Existenz er wahrscheinlich wirklich glaubt.Die Begegnungen mit den Menschen in seinem Netzwerk sind alle immer beiläufig. Sie wecken nicht wirklich sein Interesse. Dabei sind das fast alles illustre Personen: Rocker, denen er in den Hütten gestratzte Waffen verkauft; Aussteiger, die einem sterbenden Naturfotografen ein Asyl bieten; eine Untergrundärztin; Sans-Papiers; ein anarchistischer Fischer; ein anderer einzelgängerischer Waldläufer; eine Vietnamesin, die ihre Vergewaltiger umgebracht hat; eine aus Island stammende Baumhausarchitektin; ein Menschen und Waren schmuggelnder Kapitän und einige andere. Dass die anderen weniger wichtig sind, kann fast nicht behauptet werden, da Sune alle beiläufig erwähnt. Ein schöner Pilz oder der perfekte Heidelbeerenplatz ist ihm wichtiger.
Alles ein Achselzucken
Deswegen fliesst die Handlung in Ingvar Ambjørnsens Roman Die Nacht träumt vom Tag ruhig dahin. Alles ist beiläufig. Sunes Abkehr von der Gesellschaft ist kein lauter Protest, sondern ein Achselzucken. Er interessiert sich nicht dafür anders zu sein oder die Gesellschaft umkrempeln zu wollen, er ist einfach so und wenn es ihm nicht passt, dann geht oder flieht er. Wenn ihm der Fischer mit Bakunin kommt und ihm sagt er solle die Fischer und Menschen entlang der Küste organisieren und ihnen den Anarchismus erklären, zuckt er innerlich mit den Achseln und denkt, dass der Fischer in der Vergangenheit lebt.Bei aller Beiläufigkeit und allem Achselzucken ist es jedoch nicht so, dass dieser Roman keine Geschichte erzählen würde. Aber trotz aufregenden Ereignissen (vor allem gegen Ende Beiläufig anders Ambjørnsens, Ingvar: Die Nacht träumt vom Tag des Buchs) bleibt Sunes Erzählung meistens unaufgeregt. Auf eine etwas seltsam niederschwellige Art zieht einen das Buch in einen Sog und lässt die Leser_innen nicht so einfach los, vor allem diejenigen, die ein Flair für etwas düstere skandinavische Literatur haben. Sune hätte für seine Geschichte wohl trotzdem nur ein Achselzucken übrig.